Spende für Erdbebenopfer von Castelluccio
AS-Parkett spendet SFr. 500.-
Italien: Glarner Hilfe berührt die Opfer des Erdbebens Die Hilfsgüter der Glarner Aktion «Robair for Castelluccio» sind nach einer 850-Kilometer-Reise angekommen. In den Dörfchen der umbrischen Gemeinde Norcia – unter ihnen Castelluccio – ist die Freude gross.
Am Dienstagabend spät begrüsst Giuseppe (Peppe) Caponecchi die Glarner Gruppe um Thomas Kühne im umbrischen Foligno. An sich hätte es ja schon Dienstagmorgen sein sollen. Stattdessen war Warten angesagt. Schon am italienischen Zoll in Chiasso. Die Mühlen der Bürokratie Ohne den Direttore lässt sich am Montagabend ein Konvoi mit sieben Fahrzeugen und zehn Freiwilligen offenbar nicht abfertigen. Ausser jede gebrauchte Jacke und jedes gespendete Spielzeug wäre fein säuberlich aufgelistet. Eine Empfehlung des Regierungsrats und obersten Glarner Zivilschutzherren Andrea Bettiga reicht nicht. Und der Direttore kommt erst um 8 Uhr morgens wieder. Er ist freundlich, aber extrem beschäftigt. Verlangt seine Formulare. Trinkt irgendwann Kaffee.Wartet auf ein Mail. Bis zur erlösenden Freigabe dauert es rund fünf Stunden. Die Mühlen mahlen, 13Uhr ist vorbei. Und die Reise geht noch rund 560Kilometer bis zum Zivilschutzzentrum von Foligno. Strassen noch unpassierbar Mittwochmorgen. «Habt ihr das Beben heute Morgen gespürt?», fragt Peppe. Stärke 3,3 war es,und «bis 4 ist bald normal.» Selten,dass im Glarnerland ein Beben so stark wäre. Doch Italien ist ein Erdbebenland. Erst vor neun Tagen hat ein Beben mit Magnitude 6,6 Milliardenschäden angerichtet.Nicht das erste Beben, sondern das dritte innert weniger Tage. Direkt nach Castelluccio zu fahren hat im Moment keinen Sinn.Das Bergdorf auf 1400Metern über Meer in Umbrien ist praktisch dem Erdboden gleichgemacht. «Zwei Familien leben im Moment noch oben. Sie müssen ihre Häuser innert einer Woche räumen», erzählt Peppe. Fast zwei Stunden dauert die Fahrt stattdessen ins Zentrum der Gemeinde Norcia. Auf der einzigen von sechs Strassen, die wieder passierbar ist. Vorbei an zerstörten Häusern und Mini-Dörfchen in einem Flusstal und über die einzige Strasse, die bereits von den Felssturzmassen geräumt und wieder passierbar ist. «Auch wenn ein Fahrverbot steht – folgt mir», ist die Anweisung von Peppe. Schutthaufen am Strassenrand. Das Dorf am Hang zerstört Peppe und seine Frau Miriam Meduri haben bis zu den Erdbeben die Taverna di Castelluccio geführt. Seit 14Jahren sind Thomas Kühne und sein Neffe Moritz ihre Stammgäste mit den Gleitschirmkursen ihrer Glarner Flugschule.In einem Monat ist Winter,mit 30 bis 60Zentimetern Schnee. Dass Peppe und Miriam nun einen mit Glarner Spendengeld gekauften Wohnwagen bewohnen können, rührt sie zu Tränen. Monika Zollinger-Landolt, die aus Näfels stammt, hat ihn liebevoll eingerichtet. Bis hin zu Besteck und Geschirrtüchern, wie Thomas Kühne auf der Heimfahrt erzählt. «Die Hilfe gibt uns das Gefühl, nicht allein zu sein», sagt Miriam Meduri. Castelluccio soll mit Fertighäusern aus Holz wieder aufgebaut werden. Auf dem Weg nach Norcia kommt dem Konvoi ein Fahrzeug mit Warnblinkern entgegen: «Am Rand anhalten.» Auf der schmalen Strasse kreuzt den Konvoi ein Tieflader mit Bagger in den Feuerwehrfarben.Wieder alte Häuser, die zwar noch stehen, aber nicht mehr bewohnbar sind und abgerissen werden müssen. Zwischenstopp in Sant-Angelo. Feuerwehrleute arbeiten an einer massiv beschädigten Kirche. Dahinter steht ein Zeltlager bereit.Peppe lässt ein Glarner Fahrzeug hier abladen. Die anderen fahren weiter. Am Hang oben ein Dorf, wo das Kirchenschiff und etliche Häuser eingestürzt sind.Der Schaden an den anderen lässt sich aus der Ferne nur erahnen. Das Leben muss weitergehen Moritz Kühne fährt in einen anderen Weiler. Betroffene leben in einem Haus, von dem nur noch die Küche steht. Er erzählt nachher: «Alle haben uns umarmt und geweint.» So glücklich sind sie über die Güter. Miriam Meduri schwärmt, bei allen Freiwilligen sehe sie dieses Leuchten: «Das Bewusstsein,dass uns die Hilfe glücklich macht.» In einem von mehreren Zeltlagern in Norcia interviewt ein Fernsehteam drei junge toskanische Freiwillige, die sich gerade auf einem Campingkocher einen Kaffee brauen. Sie bringen mit der Gitarre und ihren Liedern auch ihre Freude ins Dorf. Friedhofsmauern sind eingestürzt. Schutzdächer für Schafe und für Schweine,für deren Fleisch Norcia berühmt ist. Ein kaum 40-jähriges Haus aus Stahlbeton und Backsteinen: Das Erdgeschoss eingeknickt von der Gewalt. Selbst das Spital ist eine Ruine. Drei der Glarner Busse werden in einen Hof eingewiesen, der schon fast vollständig mit Autos gefüllt ist. Junge und Alte kommen und gehen, Mütter mit Kindern holen Hilfsgüter ab. Putzmittel, Medikamente, Hygieneartikel. «I am Mary», stellt sich eine junge Helferin vor. Sie dirigiert das Ausladen. Das Meiste kommt in eine Halle, die sich als Fitnesszentrum erweist. Esswaren,Medikamente,Putzwaren separat.Kartons,die nicht italienisch angeschrieben sind,markiert sie: «Pantaloni.Gioccatoli.Giacche d’inverno.» Emsig wird gearbeitet. Das Leben muss weitergehen,so normal wie möglich. So normal auch, dass der Glarner Zivilschutzhauptmann Kühne kurz deutlich werden muss,damit auch der letzte Bus noch vor dem Mittagessen leer wird: «Wir müssen morgen alle auch wieder an die Arbeit zu Hause.» Schweizer halt,zwinkert Peppe.Es folgt ein herzlicher Abschied. Dann elf oder zwölf Stunden Fahrt in die Nacht.
Quelle: Südostschweiz | Freitag, 11. November 2016